Einkaufsflächen in Potsdam - konsequent kundenavers

Haßloch heißt das Versuchskaninchen für die gesamtdeutsche Käuferforschung. Im größten Dorf von Rheinland-Pfalz haben GfK und LEH (Lebensmitteleinzelhandel) Werbestrecken und Pilotfilialen errichtet, in denen zukunftsweisende Trends auf ihr Erfolgspotenzial untersucht werden. Doch ganz offensichtlich wurde auch Potsdam erwählt - als dunkles Testlabor zur Erforschung von Leidensfähigkeit: In der Landeshauptstadt wird vermessen, wie umfassend der Kunde in seinen Kaufabsichten gestört werden kann, ohne dass es zu Revolten kommt. Stille Kaufstreiks und Umsatzeinbußen werden allerdings billigend in Kauf genommen.


Rossmann

Rossmann hat in Potsdam eine Filiale eingerichtet, die sich konsequent dem Lagermitarbeiter öffnet, nicht aber dem Kunden. Alle Warenträger sind so angeordnet, dass sie dem bestückenden Mitarbeiter von der Lagertür aus direkten Einblick in das gesamte Sortiment bieten. Der Kunde dagegen betritt die Filiale quasi durch die Hintertür und passiert Regalrücken nach Regalrücken. Ein Blick oder ein Eintreten in jeden Gang machen jeweils Kehrtwendungen um 160° erforderlich. Als mitarbeiterfreundlichste Filiale vermutlich seit Jahren unter den Rossmanninternen TOP 3, ignoriert und frustriert der Laden beharrlich die Kundenperspektive.

Rewe

In Rewes neuester Potsdamer Filiale läuft der Kundenstrom nicht mehr contre-la-montre, sondern mit dem Uhrzeigersinn. Aus eigenen Untersuchungen und im Einklang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum sog. Linksphänomen sind allein mit „rechtsdrehendem“ Kundenstrom Umsatzeinbußen von 10-20% verbunden. Und so irren auch Monate nach der Eröffnung die Kunden desorientiert im Markt umher, wenden und kollidieren mit ihren Einkaufswagen und fluchen in den Gängen. Jede Eisbahn im Winter und jeder Stadionlauf im Sommer mahnt, in welche Richtung Menschen intuitiv mit Lust und Laune kreisen.

LIDL

Lidl zeigt sich seit je her desinteressiert an menschlichen Wahrnehmungs- und Bewegungsgesetzen - und auch in Potsdam punktet der Konzern mit kundenaverser Gestaltung: Lidls Filialen stellen die Sortimentslogik auf den Kopf. Im Eingangsbereich sind die ansonsten kassennahen Artikel platziert, im Kassenbereich Artikel, zu denen der Kunde bevorzugt greift, wenn sie im Eingangsbereich angeordnet sind. Lidl ignoriert umsatzrelevant, dass Kunden nicht jedes Produkt an jeder beliebigen Position genauso häufig wählen. Im Markt reißt dann schon früh der Geschmacksfaden - riskant im Nahrungsmittelgeschäft. Sollte jemals ein LIDL-Restaurant eröffnen, käme dort wohl das Dessert vor der Vorspeise. Der Gast hätte dann nicht bloß das Gefühl, wenig bezahlt zu haben.

See- und Lichtblick: Aldi

Dass es auch anders geht, zeigt ALDI Nord. Der seeseitige Markt wurde mit Wasserparkplatz eingerichtet. So können Freizeitskipper ihren Bootskühlschrank direkt über die Aldi-Anlegestelle bestücken. Wenn nun noch das Grillfleisch bekömmlich wäre, hätte Potsdam einen echten Brückenkopf im Kampf gegen die inhumanen Versuchsanordnungen im städtischen Einzelhandel.